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Emscher: nach 30 Jahren Umbau komplett abwasserfrei

Nach 30 Jahren Umbauarbeiten fließt ab sofort kein klärpflichtiges Abwasser mehr in den 83,1 Kilometer langen Nebenfluss des Rheins. Der unter Ruhris  bekannte Fluss trägt nicht zu Unrecht auch den Namen „Köttelbecke“, weil in diesem nicht nur Grubenwasser, Restchemiekalien und Industrieabwässer ungeklärt eingeleitet wurden, sondern auch Fäkalien und anderer Unrat. Man nannte diesen Fluss auch „die Schwatte.“ Die Farbe des Flusses wechselte von rostrot bis braunschwarz.

Kein Fluss war so abwechslungsreich abscheulich, wie die Emscher. Im Ortsteil Barop roch es oft nach faulen Eiern, in Dorstfeld lagen ätzende Schwaden über der Wasseroberfläche und in Holthausen machte sich eine schwere Süße breit. Das Ufer der Emscher durfte man nicht betreten. Die „Meidezone“ war umzäunt und mit Warnschildern versehen, die heute noch an einigen Stellen herumstehen.

Doch damit ist nun endgültig Schluss.    

gestank und schmutz gehören der Vergangenheit an

Nach 170 Jahren fließen zum ersten mal die Abwasserfrachten unter-irdisch von Dortmund-Dorstfeld bis nach Dinslaken-Eppinghoven und dann in den Rhein. Die Emscher wird renaturiert. Sie wird dann nur noch Grund-und Regenwasser führen.

Mit der Nordwanderung des Deutschen Steinkohlenbergbaus stellten Bergsenkungen in der Emscherregion immer weniger ein Hindernis dar, so dass man vor 30 Jahren mit dem Bau von unterirdischen Kanälen beginnen konnte. Am 13. August 2008 überreichte die Bezirksregierung Münster den Planfeststellungsbeschluss zum Umbau der Emscher dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der Emschergenossenschaft, Dr. Jochen Stemplewski. Wir berichteten darüber in unserem Jahrbuch.

Seit dem hat die Emschergenossenschaft 130 Schachtbauwerke und drei Klärwerke modernisiert, 35.000 Kubikmeter Beton vergraben und 8000 Tonnen Stahl für Rohre unterirdisch verbaut. Das Bauvolumen für den Umbau hat rd. 5 Mrd. EUR verschlungen. Hinzu kommen die Kosten für die noch anstehenden Renaturierungsmaßnahmen.

Sowohl in der Kokerei Zollverein als auch im Ruhr-Museum auf Zoll-verein XII würdigt die Stiftung Zollverein zusammen mit der Emsch-ergenossenschaft dieses historische Ereignis mit zwei großen Sonder-ausstellungen vom 9.5.2022 in der Mischhalle der Kokerei und ab September bis Februar 2023 im Ruhr-Museum.

 

beyMOND KÖTTELBECKE ...

  • Ausstellung auf Zollverein XII
  • 09.Mai. 2022 bis 06.November 2022
  • Mischanlage Kokerei Zollverein
  • Emscheransichten eines Flusses
  • Ruhr-Museum auf Zollverein ab Mitte September 2022 bis Februar 2023
Emscher-Pumpwerk Oberhausen aus 2021, Foto: Rupert Oberhäuser, EGLV
Emschermündung bei Dinslaken, Foto: Nati Sythen, CC-BY-SA-3.0 wikimedia commons
  • Keep Scrolling Down

Drei Pumpwerke gleichen ein Gefälle von 1,5 Promille aus und heben das Abwasser aus 40 m Tiefe nach oben. Skizze: Michael Walkstein, EGLV

Quellenhinweise:

Glückauf-Nachbarschaft, Zollverein-Postille Febr. 2022, S. 11, WDR vom 29.01.2022; VDI-Nachrichten vom 23.09.2021; TAZ vom 19.08.2021; Pressemitteilung Emschergenossenschaft vom 18.02.2022 sowie RK-Redaktion vom 14.03.2022

kleiner Rückblick

Werfen wir einen kurzen Blick zurück. Die Emscherregion war um 1850 noch eine sumpfige Auenlandschaft. Im Emscherbruch in Gelsenkirchen-Erle tummelten sich sogar Wildpferde. Das änderte sich schlagartig durch die Industrialisierung. Der Bergbau und die Stahlindustrie siedelten sich aufgrund der enormen Kohlevorräte an Rhein und Ruhr an. Es entstand der Ballungsraum Ruhrrevier. Das Grubenwasser von den rd. 130 Zechen, die Abwässer der Industrie und die Fäkalien aus den Wohnhäusern wurden in die Emscher entsorgt. Wegen der ständigen Bergsenkungen durch den Kohleabbau konnten keine unterirdischen Rohre verlegt werden. Das blieb bis 2008 so. Erst durch die Nordwanderung des Bergbaus ergab sich die Möglichkeit der unteridischen Rohrverlegung, weil keine großen Bergsenkungen mehr zu befürchten waren.

Früher kam es bei Hochwasser zu Überschwemmungen und mit diesen zu Seuchen wie Cholera, Ruhr und Typhus. Das war die Stunde der Emschergenossenschaft. Sie wurde in Dortmund 1899 gegründet und hatte die Aufgabe, die Emscher zu begradigen. Sie wurde eingedeicht und in ein Betonkorsett gepresst. Ein Sperrwerk an der Grenze Dortmund /Castrop-Rauxel wurde errichtet, um die Emscher bei Starkregen zu drosseln und die Menschen vor Hochwasser zu schützen. Dabei handelt es sich um ein Rückhaltebecken, welches 7 Mio. Badewannen umfasst. Dann wurden Sicherheitszäune und Eisentore errichtet. Betreten war jahrzehntelang verboten.

Das stillgelegte Klärwerk Berne in Bottrop-Ebel mutierte zum denk-malgeschützten Restaurant nebst einem Theater der Pflanzen. Radfahrer können stilecht in fünf Kanalrohren im Bernepark übernachten. Ein Köttel-becke-Denkmal für die Nachwelt sozusagen.

Aber wie fast alles im Revier gilt auch für die Emscher: fertig ist gar nichts. Auch in Zukunft bleibt die Emscher dort, wo es wenig Platz gibt, in ihrem Kanalbett. Eine langgezogene schnurgerade Betonrinne im V-Profil mit Steinplatten an der Uferböschung.

Aber da, wo es möglich ist, werden in den nächsten Jahren die Beton-schalen entfernt, die Böschungen verflacht und vielseitig gestaltet. An vielen Stellen hat man bereits die ursprüngliche Auenlandschaft wieder-hergestellt.

Und wenn man den Umbau der vielen Grubenbahn-und Eisenerzan-schlussbahnen hinzurechnet einschließlich dem Abriss der meisten Zechen und Hochöfen, dann wird der Besucher das heutige Ruhrgebiet bald nicht wiedererkennen: überall blühende Natur, zahlreiche Radwege mit Straßenbegleitgrün, begehbare Halden mit Feuchbiotopen und viele Wälder. Und natürlich viele Naherholungs-Parkanlagen.

Das ist das neue Ruhrgebiet. Viel Kultur, viele Schrebergärten, viel Fußball, und viel Bier. Aber leider keine neuen Arbeitsplätze. Strukturschwach eben. Glückauf !

 

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