Wenn man sich das Standardwerk von Wilhelm Hermann über „die alten Zechen an der Ruhr“ anschaut, dann wird einem schnell bewußt, wie unglaublich viel an Erinnerungskultur dem Abrissbagger zum Opfer gefallen ist. Es waren über 130 Zechen. Und damit sind auch rd. 500.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Hinzu kommt der gedankenlose Abriss bedeutender Stahlschmieden wie Hoesch in Dortmund, Gutehoffnungshütte in Oberhausen, Bochumer Verein in Bochum oder demnächst vielleicht sogar auch Thyssen-Krupp in Duisburg.
Renommierte Kulturexperten wie Prof. Karl Ganser, der die IBA-Emscher-Park Idee umsetzte, um wenigstens 17 Industriemonumente gegen den erbitterten Widerstand der Gelddenker-und Lenker für die Zukunft zu bewahren oder unser Mitglied Prof. Dr. Roland Günter, der sich sein ganzes Leben lang mit der Indsutriekultur und seiner Bewahrung beschäftigt und dazu viele Bücher geschrieben hat oder Prof. Dr. Ernst Faulenbach von der Ruhr-Uni-Bochum, der sich ebenfalls Zeit seines Lebens mit der Erinnerungskultur auseinandersetzte.
Wir könnten noch viele weitere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aufführen, die sich für die Bewahrung der alten Industrielandmarken eingesetzt haben. Gemeinsam ist allen Mitstreitern, das es ihnen gelang, wenigstens einige wenige Exemplare der Industriegeschichte vor der Abrissbirne zu bewahren.
Allerdings wurden auch diese wenigen erhalten gebliebenen Industriezechen und Hüttenwerke Jahrzehnte lang vernachlässigt, da die unter ihrer Obhut stehende Industriedenkmalstiftung des Landes NRW viel zu wenig Geld hatte und hat. Und so konnte immer nur notdürftig saniert werden. Auch wir sind oft als Bettelboten bei der Landesregierung vorstellig geworden und haben um mehr Unterstützung gebeten. Auch hatten wir uns in der Vergangenheit immer wieder mal gegen den Abriss von Fördergerüsten eingesetzt. Leider mit mäßigem Erfolg.
Seitdem die Extraschicht vom RVR 2001 ins Leben gerufen wurde und die Zechenfeste auf Zollverein XII und vielen anderen Industriemonumenten zahlreiche Besucher anlockte, hat man erkannt, das mit der Industriekultur auch etwas zu verdienen ist.
Und von Seiten der Politik hat man erkannt, das sich die Abertausende von weggebrochenen Arbeitsplätzen u.a. wegen der völlig verfehlten Energiepolitik der Bundesregierung nicht mehr ersetzen lassen, setzt man nun ebenfalls auf den Industrietourismus.
Wir glauben allerdings nicht, das die Rechnung langfristig aufgehen wird, weil diese Branche viel zu wenig Arbeitsplätze schafft, dazu i.d.R. auch noch schlecht bezahlt und obendrein nicht in der Lage ist, die Produktivität des Landes zu erhöhen. Dazu benötigt man Industriearbeitsplätze. Und die werden in NRW immer weniger.
Die IT-Branche tritt eh mit umgekehrten Vorzeichen auf: nämlich Arbeitsplätze durch KI zu ersetzen. Das gleiche gilt für die Elektromobilität. Hier werden Tausende von Arbeitsplätzen in der Zuliefererindustrie in den nächsten Jahren wegfallen.Vielen davon in NRW.
Am Ende wird sich bewahrheiten, was Henry Ford schon vor 150 Jahren seinen Abteilungsleitern sagte: “ Autos kaufen keine Autos.“ Wie recht er hatte, sehen wir heute an der maroden Infrastruktur und der hohen Arbeitslosigkeit im Revier. Daran wird der Industrietourismus und auch die Digitalisierung mittelfristig nichts ändern. Allein in der Metall-und Elektroindustrie sind 30 bis 40 % der Arbeitsplätze durch die Digitalisierung bedroht.
Wenigstens werden die Menschen durch die Industriekultur von der Perspektivlosigkeit und Tristesse abgelenkt. Auf Dauer wird das aber nicht gut gehen.