IGA 2027
DIE HAUPTSCHAUPLÄTZE FÜR ALLE
Kokerei Hansa, Dortmund; Rheinpark, Duisburg; Nordsternpark, Gelsenkirchen; Brachgelände Zeche Victoria 1/2, Lünen; Emscherland, Recklinghausen und Castrop-Rauxel
Vollmundig berichtete die WAZ am 22.11.2025 von der Internationalen Gartenausstellung (IGA), die 2027 auf 194 Hektar Fläche fünf Gärten der Zukunft salonfähig machen soll. Motto: das Revier ist grün, nachhaltig und voller Schätze. Das Revier ist auf dem Weg zur grünsten Industrieregion der Welt. Eine Industrieregion wird ab 2027 richtig aufblühen, nicht nur kurzfristig, sondern für immer. Kleiner gings leider nicht.
Vom 23. April bis zum 17. Oktober 2027 sollen sich 5 Hauptschauplätze sowie 53 Städte in ein Blütenmeer verwandeln und Millionen von Besuchern anziehen. Und da wären wir auch schon beim Geld. Hier stellt sich sogleich die Frage: ist die IGA wirklich eine langfristige Chance für die Ruhrindustrie ? Wir sind da vorsichtig und glauben, das das eher nur ein Strohfeuer werden wird zugunsten einiger weniger Akteure. Das zeigt jedenfalls die Entwicklung, wenn man sich die vorherigen IGA-Gartenausstellungen anschaut. So schuf die erste Landschaftsgartenschau 1997 auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Nordstern in Gelsenkirchen-Horst keinen einzigen neuen Arbeitsplatz.
In der Regel blieben die beteiligten Städte auf einem Großteil der Kosten sitzen. Wie teuer die geplanten 38 Projekte in 2027 werden, verschweigt man daher lieber. Und Nachhaltigkeit, Blumenmeere und Biodervisität schaffen noch lange keine neuen Industriearbeitsplätze, die das Revier aber dringender braucht als Zukunftsgärten.
Kokerei Hansa, Dortmund; Rheinpark, Duisburg; Nordsternpark, Gelsenkirchen; Brachgelände Zeche Victoria 1/2, Lünen; Emscherland, Recklinghausen und Castrop-Rauxel
Die IGA 2027 ist kein kleines Gartenfest, sondern ein teures Infrastruktur- und Eventprojekt, dessen Kosten sich – je nach Rechenweise – auf mehrere hundert Millionen Euro belaufen. Ein erheblicher Teil davon stammt aus öffentlichen Kassen: Kommunen, Land, Förderprogramme. In einer Region, in der viele Städte strukturell unterfinanziert sind, Schulen verfallen und soziale Infrastruktur auf Kante genäht ist. In dieser Situation darf man wohl mal fragen, ob dieses Geld nicht gezielter eingesetzt werden müsste ?
Befürworter wie die ehem. Regionaldirekorin des RVR, Karola Geiß-Netthöfel; die Präsidentin des Zentralverbandes Gartenbau (versteht sich), Eva Kähler Theuerkauf und Horst Fischer (GF IGA 2027) verweisen auf langfristige Effekte: aufgewertete Flächen, Imagegewinn, Tourismus. Doch solche Effekte sind schwer messbar, zeitlich verzögert – und vor allem kein Ersatz für stabile Beschäftigung.
Natürlich sind Nachhaltigkeit und Biodiversität wichtig. Niemand bestreitet das. Das aber für die IGA 2027 auch mit dem Argument geworben wird, man wolle mit der IGA 2027 auch einen Beitrag zur Abschwächung des Klimawandels beitragen, ist schlicht reine Ideologie.
Alle drei Begriffe werden politisch überfrachtet mit Erwartungen, die die Akteure realistisch nicht erfüllen können.
Grüne Ausstellungen, neue Parks und renaturierte Halden schaffen temporäre Jobs: im Bau, in der Planung, in der Pflege. Doch das sind keine Arbeitsplätze in der Masse, die eine Region mit rund 15 % durchschnittlicher Arbeitslosigkeit nachhaltig aus der Krise führen könnten.
Was das Ruhrgebiet braucht, sind:
industrielle Wertschöpfung mit Zukunft
produktive Arbeitsplätze in der Energiewirtschaft, in der Materialforschung, in der Kreislaufwirtschaft, im Maschinenbau und in den Digitalisierungsschmieden
qualifizierte Jobs, die auch Menschen ohne akademischen Hintergrund Perspektiven bieten
Eine Gartenausstellung kann das nicht leisten. Sie ist Begleitmusik, keine Strukturreform !
Hinzu kommt ein weiterer Punkt, der selten offen ausgesprochen wird: Straßenbegleitgrün, Parks, Haldenlandschaften und renaturierte Industrieflächen gibt es im Ruhrgebiet inzwischen „so weit das Auge reicht“. Auf den ehemaligen Erzbahntrassen und auf den ehemaligen Strecken der RAG-Bahn-und Hafenbetriebe kann man sich mittlerweile totlatschen bzw. totradeln.
Das Revier ist längst nicht mehr das schwarze Kohlenrevier früherer Jahrzehnte. Obschon auch das nicht das schlechteteste Leben war. Wer hier lebt, weiß: Das Problem ist nicht der Mangel an Grün, sondern der Mangel an wirtschaftlicher Dynamik, an Unternehmensansiedlungen, an Aufstiegschancen.
Noch mehr gestaltetes Grün löst nicht automatisch soziale Probleme. Im schlimmsten Fall entsteht der Eindruck, man überdecke strukturelle Schwächen mit hübschen Bildern.
Die IGA 2027 droht damit, Symbolpolitik zu werden: gut geeignet für Sonntagsreden, Imagebroschüren und internationale Gäste – aber zu schwach als Antwort auf die realen ökonomischen Herausforderungen des Ruhrgebiets. Nachhaltigkeit ist wichtig. Das wußten schon die RAG-Werkdirektoren und haben diese auch auf den Zechen praktiziert. Aber die zukünftige Nachhaltigkeit braucht eine wirtschaftliche Übersetzung, sonst bleibt sie ein dekoratives Versprechen. Klimawandel hin oder her.
Glückauf !
Quellenhinweise:
WAZ vom 22.11.2025; iga2027.ruhr; rvv.ruhr.de; www.1wdr.de vom 06.06.2024; vieww.de vom 01.04.2025; aknw.de vom 01.04.2025; rp-online.de vom 16.12.2024 sowie RK-Redaktion vom 14.12.2025
Fotonachweise:
Header: Hintergrund: stockdreams.ai; Vordergrund: Zeche Nordstern 1/2: Youtube-Screenshot; Gestaltung: Revierkohle; unten links: Schrebergarten: stockdreams.ai, darunter: Kokerei Hansa, Youtube-Screenshot; Mitte: Zeche Ewald: Revierkohle